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Geburtsvorbereitung

Ein Kind zu gebären bietet für die Frau die Chance einer tiefgreifenden und außergewöhnlichen Wachstumserfahrung.

Unter günstigen Umständen kann die Geburt für sie eine Grenzerfahrung werden, in der sie intensive Emotionen erlebt, ungeahnte Kraft kennen lernt und letztlich daraus neu und gestärkt hervorgeht. Im negativen Fall kann die Geburt zum Erleben von Ohnmacht, Versagen und Ausgeliefert-Sein führen und durchaus zur traumatischen Erfahrung werden.

Voraussetzungen für positives Erleben sind eine einfühlsame Begleitung, die die Gebärende nicht bevormundet und die Fähigkeit der Frau, sich dem Prozess ganz hinzugeben. Sie muss das Bedürfnis nach Kontrolle der Situation überwinden, trotz Angst und Schmerzen auf die Wehenkräfte vertrauen und sich auf die Signale ihres Körpers einlassen.

Die klassichen Parameter jeder Geburtsvorbereitung sind das Üben von Atmung und Entspannung. Das bewusste Zulassen des Atems und das Vertrauen in den ganz persönlichen Atemrhythmus entsprechen hier dem Annehmen der Natur. Dieses Annehmen des eigenen Rhythmus erleichtert die Geburt mehr als eine perfekte, aber mechanisch durchgeführte Atemtechnik. Der zugelassene Atem passt sich in jedem Moment der jeweiligen Situation an und entspricht immer dem, was gerade benötigt wird - nicht zu viel und nicht zu wenig.

Der Atem ist auch ein nicht zu übertreffendes Hilfsmittel zur Bewältigung von Angst und Schmerz, gibt Mitte und wird als einziger beständiger Parameter zum Leitseil (Ilse Middendorf), an dem sich die Frau anhalten kann.

ANGST MACHT ENG, ATEM SCHAFFT RAUM!

In der Vorbereitung für die Geburt gilt es das Körperbewusstsein weiter zu ergänzen und zu verfeinern. Mit Hilfe des Atems können körperliche Bereiche neu erschlossen und belebt werden. Diese differenzierte Bewusstheit hilft dabei, günstige Geburtspositionen einzunehmen und Kraft gerichtet dort einzusetzen, wo sie benötigt wird. Auch gezielte Entspannung ist leichter möglich.

Während in der Schwangerschaft die Unterstützung von Wohlbefinden, das Vorbeugen und Lindern von Beschwerden und der innige Kontakt mit dem Kind im Vordergrund standen, geht es jetzt darum, sich auf das Loslassen des Ungeborenen vorzubereiten. Das braucht nicht nur Hingabe an den Prozess, sondern auch körperliche Aktivität und Energie. Nun ist das Thema, sich den eigenen Ängsten zu stellen und bereit zu werden für großen körperlichen Einsatz.

Tönen als Vorbereitung unterstützt die Ausatemkraft, bewirkt Bewegung und Schwingung von innen her und schafft Raum. Bei eingeschränkter Bewegungsmöglichkeit in der Schwangerschaft bietet es eine wertvolle Ergänzung. Ein elastisches Zwerchfell erleichtert ein eventuell nötiges "Veratmen" von Presswehen.

Der Atem stellt Energie bereit für Mutter und Kind. Das freie Fließen-Lassen des Atems ist grundlegend für den Energiefluss während der Geburt, die große körperliche Anforderungen stellt. Die Kraft des Ausatems ist der Geburt dienlich, denn es gilt mit dem Atem das Kind in die Welt zu entlassen.

Wenn der Atem in seinem Rhythmus schon in der Schwangerschaft selbstverständlich und vertraut geworden ist, kann er bei der Geburt in der aktiven Austreibungsphase bewusst eingesetzt werden.

Mit dem ersten Atemzug beginnt ein kleiner Mensch sein Erdendasein in einem unverwechselbaren Atemrhythmus.

Text: Hannah Rausch, Erstveröffentlichung in: Atem und Bewegung, Theorie und 111 Übungen von Norbert Faller, Verlag: Springer; Auflage: 2. Aufl. 2009 (11. Mai 2009), ISBN-10: 3211094563, ISBN-13: 978-3211094563